
Hamburg - Brauhaus der Hanse
Zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert war Norddeutschland, insbesondere Hamburg, das europäische Zentrum der Bierherstellung. Schon vor Beginn der industriellen Bierproduktion wurde hier in großem Umfang qualitätvolles Bier gebraut und dank der Hanse erfolgreich nach nah und fern exportiert. Stärker als alle anderen Gewerbezweige bestimmte das Braugewerbe die Entwicklung und die Geschicke der Stadt. Deshalb galt Hamburg als das „Brauhaus“ der Hanse.
Mit Auflösung der Hanse verloren die hiesigen Bierbrauer einen Teil ihres Marktes. Zudem änderten sich Trink- und Essgewohnheiten. Die Bierproduktion ging stark zurück. Erst mit der Übernahme neuer Braumethoden erlebte das Bierbrauen in den „Actienbrauereien“ seit dem späten 19. Jahrhundert wieder einen großen Aufschwung. Obwohl andere Getränke das Bier von seinem Spitzenplatz beim durchschnittlichen Getränkekonsum verdrängt haben, stellt es weiterhin – auch durch die wachsende Craft Beer-Produktion – einen wichtigen Wirtschaftsfaktor in Hamburg dar.
Die Hanse
Hamburg als Brauhaus
Nirgendwo sonst wurden zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert solche Mengen Bier produziert wie in Hamburg. Zu den Spitzenzeiten im 14. Jahrhundert stellten die Hamburger Brauer jedes Jahr 574.000 Hektoliter her. Zum Vergleich: In München wurden zur gleichen Zeit pro Jahr 5.000 Hektoliter Bier produziert.
Um die Mitte des 14. Jahrhunderts gab es bei 8.000 Einwohnern in Hamburg nahezu 450 Brauhäuser, im Jahr 1540 waren es bereits 527.
Kein Bier ohne Alster
Ohne Bier würde es die Alster in der Form, wie sie Hamburgs Innenstadt heute prägt, wohl nicht geben. Die Aufstauung der Alster, zuerst um 1200 an der Untermühle (heute Trostbrücke), und dann im größeren Maßstab um 1230/35 durch den Reesendamm (heute Jungfernstieg), ermöglichte es, Mühlen zu betreiben. Diese Mühlen mahlten nicht nur das Brotgetreide, sondern schroteten auch das Malz für die wachsende Zahl an Bierbrauern in der Stadt.
Ein Drittel der Kapazitäten der Mahl- bzw. Kornmühlen blieb den Bierbrauern vorbehalten. Der wirtschaftliche Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Wenn Alt- und Neustadt um 1200 zusammen etwa 1.000–1.300 Einwohner hatten, so waren es gegen Ende des Jahrhunderts etwa 4.000–5.000. Das 13. Jahrhundert bedeutete für Hamburg einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung und zugleich einen Umbau der Stadt.


Bierbrauen - wie wurde Bier hergestellt?
Das Grundprinzip des Bierbrauens ist einfach: Die im Getreidekorn enthaltene Stärke wird durch den künstlich in Gang gesetzten Keimungsprozess in Zucker umgewandelt (Weichen). Damit der Zucker nicht durch das Wachstum des Keimlings verbraucht wird, unterbricht man den Keimungsvorgang durch Hitzeeinwirkung (Darren). Mittels Kochen (Maischen) und der Zugabe von Hopfen entsteht ein Sud. Nach seinem Durchsieben und Abkühlen wird ihm Hefe zugesetzt. Die Hefe setzt nun den Zucker in Alkohol um. Nach der Gärung im Fass kann das Bier getrunken werden.
Um gutes Bier herzustellen, war allerdings großes Wissen und enorme Erfahrung nötig. Ohne technische Messinstrumente konnte der gesamte Brauvorgang nur per Augenschein überwacht werden. Die Temperatur wurde mit der „Ellenbogenprobe“ eingeschätzt. Der größte Teil der Brauer waren Männer. Daneben sind aber einige Brauerinnen belegt. Die Brauerei gehörte neben dem Textilgewerbe und dem Einzelhandel zu den drei Wirtschaftsbereichen, in denen Frauen ein achtbares Auskommen fanden.
Exkurs Reinheitsgebot
Das heutige Deutsche Reinheitsgebot wurde erstmals im Jahre 1516 erlassen und galt zunächst nur für das Herzogtum Bayern. Erst 1906 wurde das bayerische Reinheitsgebot von 1516 im Norddeutschen Brausteuergebiet und damit auch in Hamburg eingeführt.
Bier als Nahrungsquelle
Bier war das Grundnahrungsmittel des Mittelalters. Andere Getränke waren häufig mit Keimen belastet oder standen nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Bier dagegen gab es in größeren Quantitäten. Es war ebenso kalorienreich wie preisgünstig und als „flüssiges Brot“ das mittelalterliche Getränk schlechthin. Dieses alkoholarme Bier wurde zu jeder Tageszeit von Männern, Frauen und auch Kindern getrunken.
Bier wurde jedoch nicht nur getrunken. Aus ihm stellte man auch Speisen und Arzneien her. Bemerkenswert ist, welche enorme Rolle die Biersuppe in der Ernährung bis zur Einführung der neuen Heißgetränke und vor der Eingliederung der Kartoffel in die europäische Nahrungskultur spielte.
Berechnungen ergaben, dass etwa 500-1000 Liter pro Jahr und Kopf Bier konsumiert wurden – mindestens zwei Liter pro Tag.
„Hamburgerbier. Solches Bier wird, wie bekannt aus Weitzen gebräuet, und wegen seiner Tugenden, und angenehmen lieblichen Geschmacks, überall hochgehalten, dann es nähret wohl, giebt gut Geblüt, macht eine schöne lebhafte Farbe […]“ - Autor unbekannt, 1784
Biermetropole Hamburg
Eine gute, gleichbleibende Qualität war die Grundlage eines profitablen Exportgeschäfts. Das Bier ging unter dem Namen der Stadt als „Hamburger Bier“ in die Welt. Die schlechtere Arbeit eines einzelnen Brauers fiel also auf die Stadt zurück. Die Bierprobe wurde ab dem 15. Jahrhundert zu einem systematischen Kontrollinstrument ausgebaut und sorgte dafür, dass auch ohne Reinheitsgebot eine gleichbleibende, auf den Exportmärkten akzeptierte Qualität hergestellt wurde und nur einwandfreie Ware zur Verschiffung kam.
Hamburg leistete einen bedeutenden Beitrag zum Erfolg des Braugewerbes in Norddeutschland vom Hochmittelalter bis einschließlich des 16. Jahrhunderts, indem es nicht nur große Quantitäten von Bier produzierte, sondern noch mehr dadurch, dass es bedeutende Mengen dieses Biers auf anderen Märkten verkaufte. Das Braugewerbe entwickelte sich zu einem der wichtigen Exportgewerbe der Stadt. Das „Premium-Bier“ aus Hamburg wurde insbesondere in die Niederlande, aber auch nach Frankreich, England, Jütland und Island verschifft.
Annähernd 500 Jahre hatten sich die Hamburger Brauer mit Spitzenbieren am Markt behauptet. Eine überbordende Bürokratie verbunden mit einer überzogenen Abgabenordnung waren maßgeblich an dem Niedergang des Hamburger Braugewerbes beteiligt. Konkurrenzdruck und Preisverfall führten im 17. und 18. Jahrhundert in Hamburg zu einem Rückgang der Bierproduktion. In der Folgezeit kam es zu einem enormen Funktions- und Strukturwandel.
Industrielle Bierproduktion im 19. und 20. Jahrhundert
Nur 17 Hamburger Brauer nahmen das Braurecht Anfang des 19. Jahrhunderts noch wahr. Dies änderte sich erst 1865 mit der Auflösung der Ämter (Zünfte) und der Durchsetzung der Gewerbefreiheit. Für das Hamburger Brauereiwesen wurden dadurch die Beschränkungen bezüglich der Braugerechtigkeiten endgültig aufgehoben.
Auch die Produktionsbedingungen und die Trinkgewohnheiten veränderten sich.
Aluminiumfässer, sogenannte Kegs, lösten in der Gastronomie die Holzfässer ab. Der Wunsch der Verbraucher, ihr Bier gepflegt zu Hause zu trinken, führte zur vermehrten Abfüllung des Bieres in Flaschen oder Dosen und damit zur Entwicklung immer schnellerer Flaschenwasch-, Füll- und Etikettieranlagen.
Brauereien
Im 19. Jahrhundert wandelten sich die Privatbrauereien aufgrund der veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen zu Aktienbrauereien und später, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zu weltumspannenden Großkonzernen.
Bierreklame - Werbung, Flaschen und Etiketten



Ausstellungsbier von Störtebeker

Hamburger Craft Beer - Die neue Art des Brauens




Vom 7. September 2016 bis 12. März 2017 zeigte das Museum für Hamburgische Geschichte die Sonderausstellung „Kein Bier ohne Alster. Hamburg - Brauhaus der Hanse“.